Monat: Juli 2020

Der Jardin Majorelle Marrakesch – eine blaue Oase in der Stadt

Im marokkanischen Marrakesch schuf der französische Maler Jacques Majorelle mit dem Jardin Majorelle einen verwunschenen Garten, eine blaue Oase. Nach seinem Tod 1962 kümmerte sich kaum jemand um dessen Pracht, sie war vom Zerfall bedroht. Glücklicherweise entdeckten Yves Saint Laurent und sein Partner Pierre Bergé das Kleinod. Als auf der Fläche 1980 ein Hotelkomplex geplant wurde, kauften sie den Garten und bewahrten ihn somit vor dem Untergang.

Die Mauern von Marrakesch

Gärten, Innenhöfe und überhaupt alles ist in Marrakesch hinter Mauern versteckt. Einen Blick kann ich nur dort erhaschen, wo eine Tür geöffnet steht. Das gilt auch für die Rue Yves Saint Laurent im Stadtteil Guéliz. Die japanischen Touristinnen scharen sich lieber um die Katzen, die sich auf der staubigen Straße wälzen. Die ewiggleiche Architektur der Apartmenthäuser lässt sie unbeeindruckt. Gegenüber ragen hohe Palmen über die rostrote Mauer. Eine kleine Pforte gewährt mir Einblick und Einlass: Der Brunnen im ersten Innenhof ist von einem betörenden Blau, so leuchtend und tief, dass selbst das Blau des Himmels dagegen verblasst. Es ist das gleiche Blau, mit dem die Berber im Süden Marokkos ihre Tücher färben und manche ihrer Türen bemalen.

Grüne Oase inmitten der Stadt

Der rostrote Pfad führt auf verwunschenen Wegen tief in den Garten hinein, mit jeder Windung entdecke ich etwas Neues: Sei es ein Brunnen, eine Pergola oder Seerosen unter Palmen. Während vor den Mauern das staubig-hektische und immer heiße Marrakesch tobt, herrscht im Jardin Majorelle Marrakesch kühler Schatten und himmlische Ruhe. Das leise Plätschern der Springbrunnen übertönt selbst das Gemurmel der Besucher. Das Wasser wirkt kühlend, die Bänke einladend. Die Wasserschildkröten im großen Bassin bewegen sich mit einer Ruhe, als hätten sie ihr ganzes Leben noch keine Eile erlebt. Hinter den Palmen, Kakteen und Bougainvilleen schimmern blaue Fassaden, die Fenster mit filigranen Gittern in Gelb verziert, rote und weiße Blüten bilden Akzente, die wie Edelsteine funkeln.

Jaques Majorelle und sein Garten

Ohne den Jardin Majorelle in Marrakesch wäre Jaques Majorelle fast vergessen. Schon zu Lebzeiten stand er im Schatten seines berühmten Vaters, Mitbegründer der „Ecole de Nancy“, einer Bewegung des Jugendstils. Als Majorelle nach einer Tuberkulose gesundet, reist er um das Mittelmeer, nach Ägypten und ist vom Orient begeistert. 1919 kauft er ein Haus in der Medina, fünf Jahre später ein Grundstück vor der Stadt. Er lässt sich vom Architekten Paul Sinoir sein Atelierhaus bauen und in dem Blau streichen, das später seinen Namen tragen wird. Majorelle sammelt Pflanzen aus verschiedenen Erdteilen, bewässert sie und verwandelt trockenen Wüstensand in eine grüne Oase. Für den Rest seines Lebens bleibt Majorelle dem Zauber des Orients verfallen, reist zu den Berbern, besucht Basare und lernt die einfachen Menschen kennen. Er ist von ihnen fasziniert, von ihrer Kultur und vom Kobaltblau, mit dem sie ihre Kleidung färben und Rahmen um die Fenster der Häuser malen.

Perspektiven, Wasser und üppiges Grün

Hinter den hohen Mauern blüht, grünt und sprudelt es, geschützt vor dem Lärm und Staub der Metropole. Im Jardin Majorelle Marrakesch kann ich mich ganz auf die Farben und Düfte konzentrieren. Er versinnbildlicht Harmonie und entspricht mit seinen Perspektiven, dem Wasser und üppigen Grün den Idealen eines orientalischen Gartens. Während außerhalb der Mauern die gleißende Sonne unbarmherzig brennt, wandle ich hier im kühlen Schatten auf einem endlos scheinenden Spaziergang. Noch nicht einmal die anderen Besucher stören.

Eine Stiftung sorgt für den Garten

Seit mehr als zwanzig Jahren kümmert sich eine Stiftung darum, dass der Garten in seiner wunderbaren Schönheit erhalten bleibt. Er ist ein geradezu magischer Ort zum Verlieben. Vielleicht sind deshalb in der Love-Gallery die „Love“-Poster von Yves Saint-Laurent versammelt, die der Künstler einst als Gruß an Freunde schuf. In dieser sinnlichen Zuflucht offenbart Marrakesch seinen hinter Mauern verborgenen Zauber, eine Magie, der ich mich nur schwer entziehen kann.